... Der Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark ist einer der wenigen Plätze weltweit an dem man noch Moschusochsen finden kann. Der Nationalpark wurde 2002 gegründet und ersetzt den Dovrefjell-Nationalpark, der bereits seit 1974 existiert. Trotz seiner rauen Landschaft ist der 1.693 Quadratkilometer große Nationalpark eine ausgezeichnete Region für eindrucksvolle Wanderungen in Norwegen, da dieses Gebiet kaum erschlossen ist mit relativ langen Distanzen zwischen wenigen und meist unbewirtschafteten Hütten. Daher ist das Fjell in seiner ursprünglichen Form mit einer üppigen Flora und Fauna erhalten und beheimatet zahlreiche Tiere, darunter die gewaltigen Moschusochsen. Diese beeindruckenden Tiere zogen schon über die arktischen Wiesen als es noch Mammuts gab. Um die Wende zum letzten Jahrhundert waren die stoischen Dickhörner jedoch durch den Menschen beinahe ausgerottet. Doch heute hat der Moschusochse wieder sichere Lebensräume finden können uns so ist er das für die Dovrefjell-Fauna charakteristische Lebewesen geworden. Die dortigen Ochsen wurden zwischen 1947 und 1953 mit Ochsen aus Grönland wiederangesiedelt und haben sich seitdem gut eingelebt. Innerhalb des Nationalparkgebietes können sich die Tiere vollkommend frei bewegen und inzwischen sind ihre Brutkämpfe weithin zu hören. Um eine der zotteligen, arktischen Gestalten zu finden, bedarf es dennoch ausreichend Zeit gepaart mit etwas Glück. Ein erster Startpunkt auf der Suche nach dem Uhrzeit-Ochsen führt mich zunächst in die nahe gelegene Touristeninfo, wo ich mir genauere Informationen über den Standpunkt der Tiere erhoffe. Miit einem Gebeitsdurchmesser von ca. 30 km Gebirgstundra in denen sich die Tiere aufhalten können, ist jeder Anhaltspunkt für eine erfolgreiche Suche nützlich. Die Auskunft der freundlichen Dame im Informationszentrum fällt dafür eher ernüchternd aus mit der Botschaft: "Die Tiere aufzuspüren ist beinahe unmöglich, außer man bucht eine der geführten Moschusochsen-Safaris". "Soll ich Ihnen Informationen zu den Anbietern geben?" fragt mich die junge, motivierte Norwegerin noch im gleichen Athemzug und hällt mir auch schon einen Stapel Infoflyer über den Tisch. Mit "Meet the Beast" (begegnen sie der Bestie) preist der oberste Flyer den ultimativen Nervenkitzel an. Ich lehne dankend ab, schließlich will ich die Moschusochsen in Ruhe in ihrer natürlichen Umgebung beobachten können, weshalb ich zwei Tage mit dem Zelt durch das Gebiet wandern will. Für einen halben Tag in einer Menschentraube zum erstbesten Moschusochsen zu hechten, den ein Guide zuvor mit allen Mitteln der Technik ausgespäht hat, um dann aus reichlich Entfernung einen kurzen Blick auf das Tier zu haben und anschließend wieder zurück zu gehen, dafür hatten mich die Moschusochsen zu sehr in ihren Bann gezogen. Ich wollte die Tiere nicht nur sehen, sondern erleben. Mit einer ordentlichen Wanderkarte über den Park, aber ohne Safari-Ticket verlasse ich den Infopoint und am nächsten Tag geht es in altvertrauter Wandermontur zeitig auf den Weg durch den Nationalpark. Selbst das Rucksackgewicht ist altvertraut und gleicht der autargen Woche in Lappland. Zwar hällt sich der Proviant bei 2 Tagen in Grenzen, doch diesmal ist das Teleobjektiv dabei - schließlich möchte ich mich rein auf die Moschusochsen konzentrieren, auch wenn dies bedeutet das Weitwinkel für die Landschaftsbilder zurück lassen zu müssen. Entgegen den geschäftsorientierten Prophezeihungen der Touristeninfo stehe ich bereits am Mittag meinem ersten leibhaftigen Moschusochsen gegenüber. Ok, "gegenüber" ist noch etwas optimistisch formuliert, ich beobachte meine erste leibhaftige Moschusochsenherde aus einiger Entfernung. Doch Schritt für Schritt geht es näher an die Herde heran, bis auch erste Bilder möglich sind. Wie erwartet habe ich die Tiere erst in den höheren Lagen im Gebirge angetroffen, wo sie gemächlich den Hang entlangziehen und dort grasen. Mit ihren 225 bis 400 Kilogramm Körpermasse erscheinen die Moschusochsen zwar groß und unbeholfen, doch man sollte die Agilität dieser Tiere nicht unterschätzen. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 60 Stundenkilometern können sie sich sehr schnell fortbewegen und holen einen Menschen beim Angriff mühelos ein. Daher ist bei jeder Annäherung Vorsicht geboten und man sollte sich niemals zu nahe an einen Moschusochsen heranwagen. Wann die Grenze der Annäherung erreicht ist lässt sich leicht am Verhalten der Tiere erkennen, die einen nicht mehr aus den Augen lassen sobald sie sich unwohl fühlen. Bleibt man an diesem Punkt stehen verlieren die Tiere schnell wieder das Interesse an einem, bewegen sich jedoch gemächlich in die Gegenrichtung davon. Wer jetzt die Verfolgung aufnimmt und noch näher heran tritt muss damit rechnen, dass sich die Tiere ernsthaft gestört fühlen und in eine Angriffshaltung übergehen, was allerdings bei einem umsichtigen Verhalten leicht vermeidbar ist. Mit einem der Moschusochsen habe ich eine besondere Begegnung. Der Pfad auf dem ich unterwegs bin läuft entlang einem Tal in welches er mich entlang der Bergflanke führt. Von der erhöhten Position ist die Sicht weit und der Blick kann ungehindert über das ausgedehnte Fjell schweifen, in welchem sich ein Fluss durch die Tundra schlängelt. Ein kleiner braun-schwarzer Punkt ist dort zu erkennen und der bewegt sich zielstrebig auf den Fluss zu. Ein Moschusochse! Die Entscheidung ist schnell gefallen und schon bin ich auf dem Weg durch Hüft-hohe Sträucher um nach unten an den Fluss zu gelangen. In ausreichender Entfernung schultere ich die Kamera, lasse den Rucksack in den Büschen zurück und pirsche mich an den Ochsen heran. Der ist gerade damit beschäftigt aus dem Fluss zu trinken und sich an den Blättern umliegender Sträucher satt zu essen, was mir die Möglichkeit gibt relativ lange unbemerkt zu bleiben. Der empfohlene Sicherheitsabstand von 200 Metern ist schon lange unterschritten, doch mein Standpunkt auf der anderen Flusseite gibt eine gewisse Sicherheit. Nun erkenne ich deutlich alle Details des stattlichen Bullen. Sein langes, zotteliges Fell das ihm bis zu den Knien herab hängt und ihm im Nacken wie eine Mähne empor steht. Seine bedrohlich aussehende Hornplatte, die eine bewährte Waffe bei Revierkämpfen mit Artgenossen ist. Die beiden seitlich abstehenden Hörner die ihm bei der Abwehr von Eisbär oder Polarwolf helfen. Und nun beobachten mich auch die beiden kleinen, knopfartigen Augen. Sein Blick ist tief und intensiv und die Zeit in der wir uns ansehen erscheint wie eine Ewigkeit in der alles um mich herum ausgeblendet ist. Der Überlebende der letzten Eiszeit mustert mich, scheint mich fragen zu wollen "wer bist Du und was machst Du hier". Eine Antwort auf diese Frage des Lebens kann ich ihm noch nicht geben, kann nur staunen über die Wunder dieser Erde, zu denen auch er gehört. Stolz hebt er seinen Kopf, dreht sich langsam um und verschwindet wieder in den Büschen. Der ersten nahen und intensiven Begegnung mit den Moschusochsen sollten noch einige Weitere folgen, die das Bild der "Bestie" von "Meat the Beast" allesamt wiederlegten. Besondere Momente wie das Vorbeiziehen ganzer Herden, die Begegnung mit Mutter samt Kalb oder das Sichten der Tiere in ihrem Alltag beim Überqueren von Flüssen oder dem Abkühlen im Schnee, haben mir einen tiefen Einblick in das Leben des Urzeitochsen gegeben - ich konnte die Tiere in dieser Zeit nicht nur sehen, sondern erleben und es ist schön zu merken, dass die beinahe schon ausgestorbenen Tiere wieder einen festen Platz in Europa gefunden haben.
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... Nach dem langen Weg durch Schweden bis hinauf nach Lappland über den landschaftlich eher monotonen "Inlandsvägen" bot sich für die Heimreise aus dem Hohen Norden der Rückweg über Norwegen an. Als erstes Ziel auf norwegischem Gebiet steuerten wir die kleine Stadt "Mo i Rana" an, die knapp 20 000 Einwohner beheimatet und nur wenige Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises liegt. Von dort aus ging es mit der Fähre entlang der Küste weiter um etwas Fjordluft aufzusaugen und die schöne norwegische Küste zu erkunden. Ein Sprung in den kalten Fjord durfte angesichts von Sonne und blauem Himmel natürlich nicht fehlen :) In Norwegen hatte ich, dem Auto sei Dank, auch endlich wieder ein paar Millimeter mehr Brennweite zur Verfügung, so dass nun auch die Tierwelt für ein paar Aufnahmen an der Reihe war. Gerade die Küste bot dafür gute Möglichkeiten, aber auch im Fjell begegnet man immer wieder einigen Singvögeln. Ein Säugetier Norwegens hatte meine Begeisterung im Vorfeld der Reise besonders gesteigert. Denn im südlichen Drittel Norwegens, zwischen Trondheim und Oslo finden sich im Nationalparksgebiet des Dovrefjell wieder erste wild lebende Moschusochsen. Sie sind Überlebende der letzten Eiszeit und mit ihren mächtigen Hörnern und langem, zotteligem Fell wahrlich urwüchsige und mächtige Tiere. Jahrtausende waren sie ganz vom europäischen Festland verschwunden, doch nun haben die Moschusochsen dank ausreichender Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungsbemühungen im Dovre wieder einen Platz zum Leben auf europäischen Land. Auch die Landschaft des direkt an den Dovre angrenzenden Rondane Nationalparks stand schon länger auf meiner Wunschliste, so dass dieses Gebiet nun zielstrebig als letzter Punkt der Reise angesteuert wurde...
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