In Christchurch angekommen gönne ich mir zunächst eine Nacht im Hotel, bevor ich am nächsten Morgen meinen Van übernehme. Der Minibus ist zu einem fahrbaren Heim umfunktioniert mit Bett, zwei Gas betriebenen Kochplatten, einem Spühlbecken und zwei Schränkchen, in denen Töpfe, Teller, Besteck und anderes nützliches Gerät ihren Platz finden. Der Van wird in den kommenden Wochen mein fahrbares Basislager sein und gibt mir maximale Flexibilität immer dort sein zu können wo es mir gerade am besten gefällt. Ich bin voller Tatendrang. Es geht direkt los Richtung Nordwesten mit dem Ziel Abel Tasman wo ich eine dreitägige Wanderung geplant habe. Die Hütten müssen vorreserviert werden, wodurch ich den Nationalpark in zwei Tagen erreicht haben muss. Ich fahre zunächst durch die ausgedehnten Weinanbaugebiete um Waipara, über Gras-bewachsene Hügel und schließlich stetig über kurvenreiche Straßen den Lewis Pass empor. Als der Abend anbricht beschließe ich am Lewis Pass am St James Walkway, einer der höchsten Punkte des Passes, zu bleiben. Das Wetter zieht sich lansam zu, es setzt Regen ein und dicke Wolkenbänder ziehen durch die Berge. Fotografisch ist nichts aus der Situation zu machen und spätestens als heftigste Windböen den nun kräftig fallenden Regen aus allen Richtungen peitschen ziehe ich mich in meinen Camper zurück. Wie gut, dass ich mich für diese Variante eines fahrbaren Untersatzes entschieden habe. In der Nacht lassen kräftige Windböen, wie ich sie bislang nur in Island erlebt habe, den kleinen Van hin und her wackeln. Am nächsten Morgen ist das Unwetter zum Glück abgeklungen und der Spuck vorbei. Ich bin um 5:30 Uhr auf den Beinen für den Sonnenaufgang einzufangen und es gibt sogar noch ein paar regenfreie Minuten mit guten Fotomöglichkeiten. Ich bin mit diesem Teil von Neuseeland versöhnt und steige munter und voller Vorfreude auf den nächsten Tag in meinen Bus. Ich drehe den Zündschlüssel. Rrrrrn rrrrrn rrrrrn. Noch einmal Rrrrrn rrrrrn rrrrnn. Was ist denn da nur los? Außer ein paar kläglichen Heulern gibt, mein am Vorabend noch so geprießenes Auto keinen Ton mehr von sich. Ich bin geschockt! Schon nach einem Tag der ist Stillstand. Und das in undenkbar schlechter Lage am höchsten Punkt des Lewis Pass. Mitten im Niemandsland, welches nur von der Passstraße die ich gekommen bin durchzogen wird. Natürlich gibt es hier keinerlei Empfang und Hilfe ist auch weit und breit keine in Sicht. Nachdem ich das Problem selber nicht in den Griff bekomme, laufe ich die Passstraße entlang in der Hoffnung einen hilfsbereiten Reisenden oder einen der Straßenarbeiter zu treffen die bereits bei der Anfahrt an einigen Stellen am werkeln waren. Am Ende ist es ein Straßenarbeiter der mein Retter in der Not wird. Nachdem ich ihm die Situation geschildert habe fahren wir gemeinsam in seinem Straßenbulli zurück um uns gemeinsam der Situation anzunehmen. Nachdem auch er trotz einigem Werkeln in der Motorhaube das Auto nicht mehr zum Laufen bekommen, fahren wir daraufhin zu seiner Basisstation eine halbe Stunde durch die Berge zurück, um von dort telefonieren und damit fachmännische Hilfe holen zu können. Bis die Eintrifft zeigt mir Neil (so heißt mein Engel in orange) noch voller Stolz wie er die Straße säubert und planiert und ich habe den Eindruck, dass er über die Abwechslung an seinem heutigen Arbeitstag ganz glücklich ist. Am Ende dieser kleinen Geschichte kommt der Tankstellenwart von Springs Junction (einem Dorf das im wesentlichen aus besagter Tankstelle und einer Hand voll Häuser besteht) mit seinem Geländewaagen angebraust. Auch er schaut in die Motorhaube, lässt sich das Problem berichten. Und tatsächlich schafft er es die Karre wieder zum Laufen zu bringen. Der Tag ist gerettet! Ein neuseeländisches Ehepaar die ebenfalls den Parkplatz angesteuert haben, fiebern da ebenfalls schon mit. Nachdem meine beiden Retter bereits fort sind, laden sie mich erst einmal zu Cafe und Kuchen in ihrem Wohnmobil ein. Was für eine Wendung! Direkt von der Hölle in den Himmel. So kann das gehen, dank großartigen und hilfsbereiten Menschen denen man als Reisender auch in abgelegenen Ecken am anderen Ende der Welt begegnet :-) Eine wichtige Lektion bekomme ich noch mit auf den Weg: Ein Reiseauto sollte immer einen Namen tragen. Schließlich verbringt man so viel Zeit miteinander und das treue Gefährt leistet schließlich einiges für einen. Kein Wunder also, dass mich mein Van im Stich gelassen hat, nachdem ich ihn gleich am ersten Tag den Arthurs Pass hinauf gepeitscht hatte. Fortan heißt er bei mir schlicht und einfach Joh.
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Beim Anflug nach Neuseeland fallen vom Münchner Airport ca. 22 Stunden reine Flugzeit an. Hinzu kommen mindestens ein bis zwei Zeit raubende Zwischenstops. Ich wollte die lange Anreise nicht gänzlich ungenutzt lassen und habe mich daher für einen Anflug mit langem Stopover in Singapur entschieden - 13 Stunden um den Shangi-Airport zu erkunden. Das mag für einen Airport nach viel Zeit aussehen, und einen Flughafen anzuschauen auf den ersten Blick ein langweiliges Programm sein, doch der Shangi-Airport hat viel zu bieten. Von Schmetterlingsgarten über Kakteenterrasse bis hin zu einem Pool am Dach des Flughafens und einer geführten Stadttour durch Singapur. Der große Vorteil liegt darin ein wenig Abwechslung in den langweiligen Flug zu bringen und (z.B. im Pool) sogar etwas regenerieren zu können, womit die harte Anreise etwas entspannter ist. Nun bin ich vor wenigen Stunden in Neuseeland gelandet und bin doch recht fit. Der vielfach beschworene Jetlag hällt sich wirklich in Grenzen. Die Stadttour (Dauer ca. 2 Stunden) ermöglicht einen kurzen Einblick in die Metropole. Um teilnehmen zu können muss ein Einreisevisum ausgestellt werden was allerdings vor Ort am Registrierungsschalter der Tour schnell erledigt ist, so dass man bereits kurz darauf in einer Kleingruppe die Staatswächter passieren kann und im klimatisierten Bus zu den Highlights der Stadt gefahren wird.
In den letzten zwei Monaten gab es eher wenig neue Bilder im Blog zu sehen; nicht etwa weil meine Fotografie eingeschlafen wäre, sondern aufgrund intensiver Reisevorbereitungen. Ab Freitag geht es für 6 Monate ans andere Ende der Welt - nach Neuseeland. Daher wird der Fotoblog nun mehr zu einem Reiseblog werden, in dem ich während der Reise spannende Begegnungen und schöne Momente mit Euch teilen werde. Kia Ora - Neuseeland kann kommen! Zum vorläufigen Abschied aus der Heimat, gibt es noch ein Bild aus den Alpen das ich Anfang des Monats in den Dolomiten aufnehmen konnte. Ich bin gespannt was Neuseeland zu bieten hat, doch bei aller grandiosen Landschaft die mich dort ewarten mag weiß ich auch: Daheim wird es immer am schönsten sein!
Alte Kasernen, stillgelegte Relikte des Bergbaus, aufgegebene Schlösser, geschlossene Krankenhäuser oder heruntergekommene Industrieanlagen - alle diese verlassenen und verfallenen Orte haben für ihren ursprünglichen Zweck ausgedient, doch für die Fotografie bieten sie ein Sammelsurium spannender Motive und können ein Abenteuer bei ihrer Erkundung sein. Die "lost-place" Fotografie, wie sich dieser fotografische Bereich nennt, beschäftigt sich mit der Dokumentation oder Inszenierung verwaister Orte und stellt die Relikte der Vergangenheit in ein besonderes Licht. Bei der Fotografie solcher Orte ist auf mehrere Dinge zu achten, noch bevor man sich überhaupt mit den technischen Aspekten des Fotografierens befasst. Zunächst sollte sichergestellt sein, dass das Gelände betreten werden darf, was in der Regel die Erlaubnis des Eigentümers vorraussetzt. Die Vielzahl besonders fotogener Objekte ist inzwischen über buchbare Führungen oder Aufenthaltsgenehmigungen zugänglich. Ist der Inhaber nicht über das Internet ausfindig zu machen bietet sich z.B. ein Gang zum Liegenschaftsamt an. Egal ob nun Privat-Gelände, Liegenschaften in der Zuständigkeit der Stadtverwaltung oder teils museumsartig aufbereitete Anlagen: Beim fotografischen Arbeiten sollte besondere Vorsicht gelten, da ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht, sei es durch zahlreiche Stolperfallen, scharfkantige und verrostete Stellen die leicht in Schnittverletzungen enden, bis hin zu morschen Böden die kurz vor dem Durchbruch stehen und lieber nicht mehr betreten werden sollten. Wer allerdings mit gesundem Menschenverstand ans Werk geht und nur Gebäude betritt die hierfür bekannt und zugänglich sind, der wird eine Vielzahl ausergewöhnlicher Fotografiemöglichkeiten finden und das für verschiedenste fotografische Felder. So können verlassene Gebäude sogar für die Personenfotografie eine gute Kulisse liefern. Sei es eine eingebrochene Wand, die man so nur hier finden wird oder auch erhaltene Gebäudeteile wie ein einfaches Fenster. Vor Ort zu fotografieren bietet reichlich Möglichkeiten für Hintergründe und den Bildaufbau - gerade in verfallenen Gebäuden. Die verfallenen Orte müssen nicht einmal zwangweiße zu düsteren Bildern führen, sondern können ganz im Gegenteil auch einmal für Mode und Beauty als Kulisse genutzt werden - sofern Euer Model mit den unbeheizten und zugigen Räumen klar kommt ;) Ein gutes Beispiel ist z.B. das Nürnberger Volksbad, welches trotz des Verfalls immer noch etliche "edle" Ecken zeigt. Aber nun wieder zurück zum Hauptthema der lost-place Fotografie, nämlich dem verfallenen Ort an sich. Ein Besuch im Ruhrgebiet brachte mich, nach eine langen Zeit der reinen Natur- und Personenfotografie, auf die lost-place Fotografie zurück, die ich in meinen anfänglichen Schritten des Fotografierens bereits öfters angeschnitten hatte. Die Industrieromantik hat zweifelsohne ihren Charm und bietet mit ihren Linien und, wie z.B. in der Zeche Zollverein durch Lichtinszenierungen, viele fotografische Möglichkeiten. Ergänzt mit ein wenig eigener "Lichtmalerei" entstehen somit kreative eye-catcher. Sowohl das Licht wie auch die Linienführung sollte für ein gelungenes Bild beherrscht werden. Bei natürlichem Licht bietet sich für Ausenaufnahmen ein bewölkter Himmel an, der den Verfall und Tristess des Ortes viel besser unterstreicht wie Sonnenschein auf blauem Himmel. Eine starke Entsättigung oder Schwarz-Weiß-Konvertierung bieten sich hierfür ebenfalls an. Andere Lichtquellen, wie z.B. von der Straßenbeleuchtung, können mit passendem Weißabgleich ebenfalls die düstere Stimmung unterstreichen. Obwohl ich mich in der Zeche Zollverein rein auf die lost-place Fotografie eingestellt hatte, gab es am Ende sogar noch ein paar Tieraufnahmen zweier Enten, die sich offenbar in der Zeche recht wohl fühlen. Ohne ein klein wenig Naturfotografie lese ich eben keine Speicherkarte aus :-) Der zweite Teil der Überschrift ist ja der Völklinger Hütte gewidmet, die mich eigentlich dazu gebracht hatte diesen Beitrag über Impressionen der lost-place Fotografie zu schreiben. Ich hatte die Völklinger Hütte erst vor kurzem während meines Aufenhalts in Saarbrücken besucht. Die Hütte wurde in einem Flyer als UNESCO-Welterbestätte beworben, zu dem sie im Jahre 1994 ernannt wurde. Nachdem mich bereits das Ruhrgebiet positiv in Sachen Zechenfotografie überrascht hatte, dachte ich mir, dass es nicht verkehrt seien könne sich dieses Relikt der deutschen Stahlindustrie einmal näher anzusehen.
Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist eine gigantische Hüttenanlage aus der Blütezeit der Eisenindustrie und zählt damit wohl zu den ungewöhnlichsten Weltkulturerbestätten der UNESCO. Im Jahr 1873 wurde die Völklinger Hütte vom Kölner Ingenieur Julius Buch gegründet und unter der Leitung von Karl Röchling zur größten Produktionsstätte für Eisenträger. Dem kleinen Dörfchen Völklingen bescherte die Entwicklung der Hütte zum industriellen Großunternehmen, und die damit benötigte Zahl an Arbeitern, das rasche Wachstum zu einer mittleren Stadt. In ihren besten Zeiten arbeiteten bis zu 20.000 Stahlkocher mit Hilfe saarländischer Kohle an der Weiterverarbeitung von Eisen und die Hütte war eine der modernsten Industrieanlagen in Europa. Heute sind alle zentralen Anlagen, vom Erzbunker über die Kokerei und die Sinteranlage, dem Hängebahnsystem, die Hochofengruppe und Trockengasreinigungen bis hin zu einer historischen Walzenzugmaschine weitesgehend erhalten und veranschaulichen alle wichtigen Stationen der Roheisenproduktion. Besonders imposant ist die Gasgebläsehalle mit ihren gewaltigen Luftmaschinen, Kolosse aus Eisen und Stahl, welche die Hochöfen anfeurten. Angetrieben wurden die Maschinen vom Gas aus den Hochöfen – ein genialer Kreislauf der Energie. Diese und ein paar weitere Eindrücke der Völklinger Hütte nun noch zum Schluss: Hin und wieder passiert es, dass sich ganz durch Zufall gute Möglichkeiten zum Austoben mit der Kamera ergeben. Eine solche Möglichkeit ergab sich mir Ende September. Beruflich musste ich nach Saarbrücken zu einer großen Tagung reisen, deren Zeitplanung fairerweiße von Mittwoch bis Freitag Nachmittag angesetzt war. Somit blieb das anschließende Wochenende frei, um das schöne Saarand sowie den angrenzenden Pfälzer Wald ausgiebig zu erkunden. Bereits die Stunden nach Ende der langen Konferenztage produzierten dank warmer und sonniger Herbsttage erste Bilder auf dem Kamerachip. Der Kopf ist noch voll von Diskussionen, Impressionen und neuen Ideen die den Tag hinweg auf mich eingewirkt haben. Anstatt direkt zurück ins Hotel zu fahren erkunde ich lieber die Stadt Saarbrücken. Ein Gebäude das mich lange fest hällt ist die Ludwigskirche. Zum einen zählt sie zu den schönsten Gebäuden Saarbrückens und zum anderen ergeben sich durch ständig verändernde Lichtverhältnisse der untergehenden Sonne kontinuierlich neue Bildmöglichkeiten. Dazu ein weiter, gepflasterter Platz vor der Kirche, sowie weitere Elemente wie eine Gedenktafel, Straßenlaternen und den angepflanzten Bäumen addieren sich zu immer wieder neuen Bildideen. Ich beschließe an diesem Abend mich für den vollen Sonnenuntergang einmal nur mit der Ludwigskirche zu befassen. Keine Minute verging in der ich mich hätte langweilen müssen. + Was es sonst noch in der Pfalz zu sehen gab, gibt es dann im nächsten Post zu sehen ;)
Kommende Woche wird meine Multivissionsschau "Namibia - Afrika hautnah" in meiner alten Heimat Erlangen zu sehen sein. Wann? 09.10.2014 19:00 Uhr; Dauer ca. 1.5 Stunden Wo? Kulturpunkt Bruck, Fröbelstraße, 91058 Erlangen-Bruck Alle Informationen gibt es hier. Oder im Flyer zum Downloaden:
Gemeinsam mit Julian Schneider, einem befreundeten Naturfotografen, ging es Ende August zu den Bergen der Mieminger Kette. Schon länger waren wir der Hoffnung einmal einen guten Sternenhimmel in den Bergen fotografieren zu können, was jedoch immer an schlechtem Wetter oder einem passenden Zeitpunkt für die gemeinsame Tour gescheitert war. Eines vorweg: Auch diesmal sollte uns das Wetter nicht gnädig gestimmt sein. Nachdem wir das im Vorfeld bereits wussten waren wir jedoch gut auf die Situation eingestimmt und hatten uns außnahmsweise für die Nacht in einer Hütte einquartiert mit dem Plan vorwiegend über den Tag hinweg unsere Bilder zu machen. Unser Ziel war somit die Coburger Hütte. Von Ehrwald aus ist diese Schutzhütte der DAV Sektion Coburg sehr gut zu erreichen. Sie kann sowohl über einen moderaten Klettersteig als auch eine bestens ausgebaute Zufahrtsstraße, die über die Ehrwalder Alm und den Seebensee führt, erreicht werden. Unser Aufstieg führt uns vom großzügigen Parkplatz der Ehrwalder Almbahn über den direkten Weg mit kurzem Klettersteig zunächst vorbei an der Seebenalm bis zum Seebensee, welcher sich uns in eher tristem Grau zeigt. Der Seebensee liegt unter einer Wolkendecke, die den Blick auf unser Tagesziel, die Coburger Hütte verdeckt. Der weitere Aufstieg zur Coburger Hütte verläuft in engen Serpentinen und wird durch hohe Stufen und Geröll etwas erschwert. Mit unserem voll bepackten Kamera-Equipment haben wir es uns auf diesem Abschnitt nicht leicht gemacht. Dabei sind neben dem Weitwinkel und einem Stativ für Landschaftsaufnahmen sogar die größeren Teleobjektive und Julian trägt - die Hoffnung auf ein mögliches Aufklaren des Himmels noch nicht völlig aufgegeben - zudem die Sternnachführung mit den Berg hinauf, ein Gerät welches die Sternbewegung mittels Schrittmotor ausgleicht und damit gestochen Scharfe Sternenbilder auch bei Langzeitbelichtungen ermöglicht. Nach einer guten halben Stunde erreichen wir die auf 1912 Metern Höhe gelegene Coburger Hütte. Von hier aus haben wir nicht nur einen wundervollen Blick auf den rund 250 Meter tiefer liegenden Seebensee, sondern sind zudem direkt am nur wenige Meter entfernt gelegenen Drachensee, welcher mit seinem smaragdgrünen Wasser wie aus dem Märchen in der hochalpinen Landschaft eingebettet liegt. Als es Abend wird gönnt uns die untergehende Sonne ein schwaches Aufleuchten der Wolkendecke. Wofür schleppen wir nun eigentlich das schwere Teleobjektiv (Gewicht von über 3 kg!) mit den Berg hinauf? Die Antwort sind die zahllosen Tiere der hochalpinen Alpen wie Murmeltiere, Alpendohlen, Gämse etc. Von Gämsen können wir zwar mehrere Gruppen beobachten, finden jedoch kein passendes Licht und keine gute Möglichkeit auf Fotodistanz an die Tiere heranzukommen. Mit den Alpendohlen haben wir dafür mehr Erfolg. Mir gefällt besonders die Form ihrer Flügel und im akrobatischen Seegelflug wird ihr fleddriges Federkleid besonders deutlich. Wie ein Schatten segeln die Pech-schwarzen Vögel am Horizont. Es ist zwar noch August, doch es ist bereits kalt geworden und ein frischer Wind geht über die Gipfel auf knapp 2000 Meter Höhe. Erster Schnee beginnt zu fallen. Das wechselhafte Wetter mag uns den Sternenhimmel in der Nacht verwehrt haben, doch jetzt zaubert es uns im Minutentackt wundervollste Lichtstimmungen und die dicken Schneeflocken schaffen für die schwarzen Dohlen eine ganz außergewöhnliche Kulisse - gerade mit dem Drachensee als blauen Hintergrund. Für mich müssen es auch nicht immer außergewöhnlichste Tiere oder exklusivste Lichtstimmungen sein um mich glücklich zu machen. Oftmals freue ich mich schlicht daran dokumentativ stimmige Bilder machen zu können. Die Schafe welche entlang der Bergflanken grasen sind für mich auf dieser Tour so ein Fall. Sie gehören ohne Zweifel untrennbar zu dieser Gegend und man wird die Coburger Hütte nicht erreichen ohne von dem Klingeln ihrer Glöckchen begleitet zu werden. Die Nacht bricht herein und das Wetter macht keine Hoffnung auf Sternenbilder. Dick liegt der Nebel im Tal und schwer die geschlossene Wolkendecke am Himmel. Es fängt an in Strömen zu regnen und wir sind froh uns für die wohlig warme Unterkunft in der Coburger Hütte entschieden zu haben. Wolken und wechselhaftes Wetter sind in den Bergen exzellente Bedingungen für stimmungsvolle Bilder. Für mich habe die rauen, schroffen Gipfel etwas majestätisches. Sie lassen einen klein und ausgesetzt erscheinen und thronen teils schier unbezwingbar empor. Zwar sind wir hier nur auf 2000 Meter, doch für die Bergfotografie spielt die absolute Höhe nicht unbedingt eine Rolle, eher die relative Differenz von Standpunkt zu Gipfelhöhe sowie die richtige Perspektive. Mit tief hängenden Wolkenbändern die durch die Gipfel ziehen wird die imposante Bergszenerie noch einmal zusätzlich betont. Ein letztes kleines Geschenk, im wahrsten Sinne des Wortes, flattert uns auf den letzten Metern unserer Rückweges noch vor die Linse: Deutschlands kleinster Vogel - das "Goldhähnchen". Mit 9 cm Körperlänge und einem Gewicht von 5 - 6 g sind Goldhähnchen, die übrigends zur Familie der Meisen gerechnet werden, wahrlich kleine Winzlinge. Sie treten bei uns in zwei Arten auf und zwar dem Sommergoldhähnchen und Wintergoldhähnchen. Beide Arten haben ein graugrünes, dichtes Federkleid und einen schwarzbegrenzten orangefarbenenen Streif auf dem Scheitel. Das Männchen des Sommergoldhähnchens wird deshalb auch "Feuerköpfchen" genannt. Das Wintergoldhähnchen heißt auch "Rotkrönchen". Man kann die beiden am besten anhand eines dicken schwarzen Streifen über den Augen unterscheiden, welchen nur das Sommergoldhähnchen aufweist und der dem Wintergoldhähnchen gänzlich fehlt. In unserem Fall haben wir folglich die Bekanntschaft mit einem Wintergoldhähnchen gemacht. Das Wintergoldhähnchen ist in unseren Breiten ein Standvogel, d.h. er bleibt den Winter über bei uns, wohingegen das Sommergoldhähnchen für die kalten Monate ins südlichere Europa zieht. Gerade einmal 24 h sind zwischen Aufstieg und Abstieg vergangenen und wir nehmen eine Fülle besonderer Momente und toller Begegnungen mit zurück ins Tal. Ein Tag wahrlich gelebten Lebens.
Rau und kark ist die Landschaft in vielen Gegenden unserer Erde, immer dort wo Wetterextreme dafür sorgen, dass sich keine üppige Flora halten kann. Das Nordwetter macht es vor allem durch die Kälte und die Errosion durch starken Wind für viele Pfanzen und Tiere schwer sich dort anzusiedeln. Fotografisch sind das dennoch Gegenden, welche mir immer wieder besonders gut gefallen. Erst bei einem, mit schweren Wolken verhangenen Tag kommt die Kargheit dieser Landschaften besonders gut zur Geltung und so war ich froh in meinen letzten Tagen in Norwegen auch einmal graue Regenwolken über mir am Himmel ziehen zu sehen.
... Der Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark ist einer der wenigen Plätze weltweit an dem man noch Moschusochsen finden kann. Der Nationalpark wurde 2002 gegründet und ersetzt den Dovrefjell-Nationalpark, der bereits seit 1974 existiert. Trotz seiner rauen Landschaft ist der 1.693 Quadratkilometer große Nationalpark eine ausgezeichnete Region für eindrucksvolle Wanderungen in Norwegen, da dieses Gebiet kaum erschlossen ist mit relativ langen Distanzen zwischen wenigen und meist unbewirtschafteten Hütten. Daher ist das Fjell in seiner ursprünglichen Form mit einer üppigen Flora und Fauna erhalten und beheimatet zahlreiche Tiere, darunter die gewaltigen Moschusochsen. Diese beeindruckenden Tiere zogen schon über die arktischen Wiesen als es noch Mammuts gab. Um die Wende zum letzten Jahrhundert waren die stoischen Dickhörner jedoch durch den Menschen beinahe ausgerottet. Doch heute hat der Moschusochse wieder sichere Lebensräume finden können uns so ist er das für die Dovrefjell-Fauna charakteristische Lebewesen geworden. Die dortigen Ochsen wurden zwischen 1947 und 1953 mit Ochsen aus Grönland wiederangesiedelt und haben sich seitdem gut eingelebt. Innerhalb des Nationalparkgebietes können sich die Tiere vollkommend frei bewegen und inzwischen sind ihre Brutkämpfe weithin zu hören. Um eine der zotteligen, arktischen Gestalten zu finden, bedarf es dennoch ausreichend Zeit gepaart mit etwas Glück. Ein erster Startpunkt auf der Suche nach dem Uhrzeit-Ochsen führt mich zunächst in die nahe gelegene Touristeninfo, wo ich mir genauere Informationen über den Standpunkt der Tiere erhoffe. Miit einem Gebeitsdurchmesser von ca. 30 km Gebirgstundra in denen sich die Tiere aufhalten können, ist jeder Anhaltspunkt für eine erfolgreiche Suche nützlich. Die Auskunft der freundlichen Dame im Informationszentrum fällt dafür eher ernüchternd aus mit der Botschaft: "Die Tiere aufzuspüren ist beinahe unmöglich, außer man bucht eine der geführten Moschusochsen-Safaris". "Soll ich Ihnen Informationen zu den Anbietern geben?" fragt mich die junge, motivierte Norwegerin noch im gleichen Athemzug und hällt mir auch schon einen Stapel Infoflyer über den Tisch. Mit "Meet the Beast" (begegnen sie der Bestie) preist der oberste Flyer den ultimativen Nervenkitzel an. Ich lehne dankend ab, schließlich will ich die Moschusochsen in Ruhe in ihrer natürlichen Umgebung beobachten können, weshalb ich zwei Tage mit dem Zelt durch das Gebiet wandern will. Für einen halben Tag in einer Menschentraube zum erstbesten Moschusochsen zu hechten, den ein Guide zuvor mit allen Mitteln der Technik ausgespäht hat, um dann aus reichlich Entfernung einen kurzen Blick auf das Tier zu haben und anschließend wieder zurück zu gehen, dafür hatten mich die Moschusochsen zu sehr in ihren Bann gezogen. Ich wollte die Tiere nicht nur sehen, sondern erleben. Mit einer ordentlichen Wanderkarte über den Park, aber ohne Safari-Ticket verlasse ich den Infopoint und am nächsten Tag geht es in altvertrauter Wandermontur zeitig auf den Weg durch den Nationalpark. Selbst das Rucksackgewicht ist altvertraut und gleicht der autargen Woche in Lappland. Zwar hällt sich der Proviant bei 2 Tagen in Grenzen, doch diesmal ist das Teleobjektiv dabei - schließlich möchte ich mich rein auf die Moschusochsen konzentrieren, auch wenn dies bedeutet das Weitwinkel für die Landschaftsbilder zurück lassen zu müssen. Entgegen den geschäftsorientierten Prophezeihungen der Touristeninfo stehe ich bereits am Mittag meinem ersten leibhaftigen Moschusochsen gegenüber. Ok, "gegenüber" ist noch etwas optimistisch formuliert, ich beobachte meine erste leibhaftige Moschusochsenherde aus einiger Entfernung. Doch Schritt für Schritt geht es näher an die Herde heran, bis auch erste Bilder möglich sind. Wie erwartet habe ich die Tiere erst in den höheren Lagen im Gebirge angetroffen, wo sie gemächlich den Hang entlangziehen und dort grasen. Mit ihren 225 bis 400 Kilogramm Körpermasse erscheinen die Moschusochsen zwar groß und unbeholfen, doch man sollte die Agilität dieser Tiere nicht unterschätzen. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 60 Stundenkilometern können sie sich sehr schnell fortbewegen und holen einen Menschen beim Angriff mühelos ein. Daher ist bei jeder Annäherung Vorsicht geboten und man sollte sich niemals zu nahe an einen Moschusochsen heranwagen. Wann die Grenze der Annäherung erreicht ist lässt sich leicht am Verhalten der Tiere erkennen, die einen nicht mehr aus den Augen lassen sobald sie sich unwohl fühlen. Bleibt man an diesem Punkt stehen verlieren die Tiere schnell wieder das Interesse an einem, bewegen sich jedoch gemächlich in die Gegenrichtung davon. Wer jetzt die Verfolgung aufnimmt und noch näher heran tritt muss damit rechnen, dass sich die Tiere ernsthaft gestört fühlen und in eine Angriffshaltung übergehen, was allerdings bei einem umsichtigen Verhalten leicht vermeidbar ist. Mit einem der Moschusochsen habe ich eine besondere Begegnung. Der Pfad auf dem ich unterwegs bin läuft entlang einem Tal in welches er mich entlang der Bergflanke führt. Von der erhöhten Position ist die Sicht weit und der Blick kann ungehindert über das ausgedehnte Fjell schweifen, in welchem sich ein Fluss durch die Tundra schlängelt. Ein kleiner braun-schwarzer Punkt ist dort zu erkennen und der bewegt sich zielstrebig auf den Fluss zu. Ein Moschusochse! Die Entscheidung ist schnell gefallen und schon bin ich auf dem Weg durch Hüft-hohe Sträucher um nach unten an den Fluss zu gelangen. In ausreichender Entfernung schultere ich die Kamera, lasse den Rucksack in den Büschen zurück und pirsche mich an den Ochsen heran. Der ist gerade damit beschäftigt aus dem Fluss zu trinken und sich an den Blättern umliegender Sträucher satt zu essen, was mir die Möglichkeit gibt relativ lange unbemerkt zu bleiben. Der empfohlene Sicherheitsabstand von 200 Metern ist schon lange unterschritten, doch mein Standpunkt auf der anderen Flusseite gibt eine gewisse Sicherheit. Nun erkenne ich deutlich alle Details des stattlichen Bullen. Sein langes, zotteliges Fell das ihm bis zu den Knien herab hängt und ihm im Nacken wie eine Mähne empor steht. Seine bedrohlich aussehende Hornplatte, die eine bewährte Waffe bei Revierkämpfen mit Artgenossen ist. Die beiden seitlich abstehenden Hörner die ihm bei der Abwehr von Eisbär oder Polarwolf helfen. Und nun beobachten mich auch die beiden kleinen, knopfartigen Augen. Sein Blick ist tief und intensiv und die Zeit in der wir uns ansehen erscheint wie eine Ewigkeit in der alles um mich herum ausgeblendet ist. Der Überlebende der letzten Eiszeit mustert mich, scheint mich fragen zu wollen "wer bist Du und was machst Du hier". Eine Antwort auf diese Frage des Lebens kann ich ihm noch nicht geben, kann nur staunen über die Wunder dieser Erde, zu denen auch er gehört. Stolz hebt er seinen Kopf, dreht sich langsam um und verschwindet wieder in den Büschen. Der ersten nahen und intensiven Begegnung mit den Moschusochsen sollten noch einige Weitere folgen, die das Bild der "Bestie" von "Meat the Beast" allesamt wiederlegten. Besondere Momente wie das Vorbeiziehen ganzer Herden, die Begegnung mit Mutter samt Kalb oder das Sichten der Tiere in ihrem Alltag beim Überqueren von Flüssen oder dem Abkühlen im Schnee, haben mir einen tiefen Einblick in das Leben des Urzeitochsen gegeben - ich konnte die Tiere in dieser Zeit nicht nur sehen, sondern erleben und es ist schön zu merken, dass die beinahe schon ausgestorbenen Tiere wieder einen festen Platz in Europa gefunden haben.
... Nach dem langen Weg durch Schweden bis hinauf nach Lappland über den landschaftlich eher monotonen "Inlandsvägen" bot sich für die Heimreise aus dem Hohen Norden der Rückweg über Norwegen an. Als erstes Ziel auf norwegischem Gebiet steuerten wir die kleine Stadt "Mo i Rana" an, die knapp 20 000 Einwohner beheimatet und nur wenige Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises liegt. Von dort aus ging es mit der Fähre entlang der Küste weiter um etwas Fjordluft aufzusaugen und die schöne norwegische Küste zu erkunden. Ein Sprung in den kalten Fjord durfte angesichts von Sonne und blauem Himmel natürlich nicht fehlen :) In Norwegen hatte ich, dem Auto sei Dank, auch endlich wieder ein paar Millimeter mehr Brennweite zur Verfügung, so dass nun auch die Tierwelt für ein paar Aufnahmen an der Reihe war. Gerade die Küste bot dafür gute Möglichkeiten, aber auch im Fjell begegnet man immer wieder einigen Singvögeln. Ein Säugetier Norwegens hatte meine Begeisterung im Vorfeld der Reise besonders gesteigert. Denn im südlichen Drittel Norwegens, zwischen Trondheim und Oslo finden sich im Nationalparksgebiet des Dovrefjell wieder erste wild lebende Moschusochsen. Sie sind Überlebende der letzten Eiszeit und mit ihren mächtigen Hörnern und langem, zotteligem Fell wahrlich urwüchsige und mächtige Tiere. Jahrtausende waren sie ganz vom europäischen Festland verschwunden, doch nun haben die Moschusochsen dank ausreichender Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungsbemühungen im Dovre wieder einen Platz zum Leben auf europäischen Land. Auch die Landschaft des direkt an den Dovre angrenzenden Rondane Nationalparks stand schon länger auf meiner Wunschliste, so dass dieses Gebiet nun zielstrebig als letzter Punkt der Reise angesteuert wurde...
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